Die Vorstandsecke

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30.05.2001
Ein Tourist auf der ISS - Politisch nicht sehr korrekt?

Nun ist er wieder unten, ist wohlauf und hat keinen Trümmerhaufen
hinterlassen. Die Rede ist von Dennis Tito, dem ersten echten kommerziellen Touristen der Raumfahrt. Seine Reise selbst, die NASA intensivst versucht hatte zu verhindern, war eher unspek-takulär. Im Gegenteil, sie verlief vorbildlich reibungslos.Weder rammte Soyuz die ISS noch brachte Tito die Station durch unkontrollierte
Aktionen aus ihrer Umlaufbahn. Und auch von Störungen des Bord-lebens wird nichts berichtet. Im Gegenteil. Tito war angenehm unarrogant und in seinem Verhalten gar nicht so, wie man sich einen "Was-kostet-die-Welt-Millionär" aus USA vorstellt. Er machte sich nützlich, sowohl an Board für seine russischen Kameraden als auch
für die Sache der Raumfahrt insgesamt. Tito hat nämlich durch seinen Flug mehrere Dinge gezeigt:

  • Raumfahrer müssen keine gestählten Heldentypen sein

  • Der Zugang zum All ist ab jetzt allen Normalbürgern theoretisch offen (sofern sie das Kleingeld mitbringen). Inzwischen wurde bekannt, dass bereits

  • zwei weitere für einen Trip zur ISS bereitstehen, und dafür auch jeweils etwa 20 Millionen Dollar zu zahlen bereit sind: Ein noch ungenannter Geschäftsmann aus dem südost-asiatischen Raum und der berühmte Hollywood-Regisseur
    James Cameron (Titanic, Apollo 13). Er soll sogar einen
    "Weltraumspaziergang" unternehmen.

  • Die Raumstation verliert den Status einer elitären und nur hehren mwissenschaftlichen Zielen zugewandten Basis. Sie ist damit dem Boden der Realität ein Stück näher gerückt!

  • Die Raumstation ist wirklich ein Gemeinschaftsprojekt!

Und genau letzterer ist der springende Punkt! NASA-Administrator Daniel Goldin wurde von Senator Christopher Bond, dem Vorsitzenden des Ausschusses für die Genehmigung des NASA-Budgets im Zusammenhang mit dem Flug heftig kritisiert. Bond charakterisierte die Zustimmung der NASA zu dessen Visite auf der ISS als "Kapitulation gegenüber den Russen". Und es gibt auch Gerüchte, nach denen NASA Tito auf Schadenersatz verklagen will wegen angeblicher Störung des ISS-Betriebs und der Forschungsarbeit. Das Verhalten der NASA in Sachen Tito und die Reaktion von Senator Bond offenbart zweierlei, nämlich:

  • Die USA beanspruchen bei allen Partnerschaftsbeteuerungen klar die Führungsrolle auf der ISS, der sich offenbar auch auf die Module und damit das Eigentum der Russen erstreckt. Welche Rechte erst den Europäern und Japanern zu- oder besser aberkannt werden, kann man sich leicht ausrechnen.

  • Die NASA hält offenbar nichts von der Kommerzialisierung der
    Raumfahrt

Den Machtanspruch der Amerikaner im All kennt man nun schon. Da wird sich so schnell nichts ändern, zumal man ja von den "Partnern" Europa und Japan auch nicht viel merkt. Die ISS ist eine amerikanische Angelegenheit. Umso wichtiger war es, das die Russen soviel Selbstvertrauen hatten, den Flug von Tito durchzusetzen. Sie haben sich damit den Anspruch auf zukünftigen Einfluss gesichert, den zumindest die Europäer schon lange aufgegeben haben.

Neu ist allerdings, dass sich die NASA so vehement gegen ein kommerzielles Unternehmen gestemmt hat, das für die Raumfahrt äußerst positive sein kann. Der Tito-Flug hat die ISS, ja die Raumfahrt insgesamt, den Menschen auf der Erde ein Stück näher
gebracht. Raumfahrt kann nur expandieren, wenn sie sich ihren Begründungs-Nischen herausbewegt. Raumfahrt als Prestige-Vehikel, exklusiver Forschungsstandort oder auch Technologietreiber allein wird scheitern, zumindest stehen bleiben. Weiterentwicklung gibt es
nur, wenn Raumfahrt vom ideologischen Olymp herabsteigt in die Niederungen des menschlichen Daseins. Und das bedeutet Spaß, Abenteuer, Urlaub, kurzum: dabei sein und mitmachen.

Hat die NASA vergessen, wie wichtig die Unterstützung der Bevölkerung für Raumfahrt ist? Hat sie vielleicht schon vergessen, dass auch sie schon Gäste an Bord ihrer Missionen hatte?
John Glenn und Christa McAuliffe (sie starb bei der Challenger-Katastrophe 1986) hatten auch keine besondere wissenschaftliche oder Crew-Funktion im Rahmen ihrer Missionen. Und hat sie auch vergessen, dass sie sich in einer freien, vom Kommerz getriebenen
Marktwirtschaft befindet? Eine Organisation, die von Steuern lebt, die von Menschen in kommerziellen Unternehmungen erwirtschaftet werden, versucht eine kommerzielle Unternehmung zu verhindern - zugegeben einer, von der sie nicht profitiert. Die Russen, denen man dies eigentlich eher nicht zutraut, haben die Kommerzialisierung
der bemannten Raumfahrt eingeleitet und sich als echte Raumfahrt-Unternehmer profiliert. Und das dürfte des Pudels Kern hinter die Kritik der NASA und mancher Landesvertreter sein.

Ich meine, wir können über den Flug von Dennis Tito froh sein. Letztlich nutzt es der Raumfahrt. So wie früher auch nur die Reichen nach Mallorca fuhren, so werden den Millionären auch irgendwann andere ins All folgen. Nur wenn die, die heute die Raumfahrt
mitbezahlen, auch die Raumfahrt selbst erleben können, wird Raumfahrt wachsen. Liebe NASA, wenn Du das verhindern willst, dann wird Dich die Raumfahrt womöglich einmal mnicht mehr brauchen.


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