Die Vorstandsecke

Wir wussten, der Tag wird kommen…

Eugen Reichl "Wir haben nicht darauf gewartet, aber uns war klar: Der Tag wird kommen". Diese Worte stammen von Stuart Witt, dem Manager des Mojave Spaceport in Kalifornien. Sie drücken das aus, was alle wussten, die heute die Pionierarbeit in der neuen, aufregenden Disziplin der privaten bemannten Raumfahrt leisten: "Der Tag wird kommen, an dem die ersten Toten zu beklagen sind".

Donnerstagnachmittag war es soweit. Drei Techniker des SpaceShipTwo-Entwicklers Scaled Composites verloren bei einer Explosion am Triebwerksprüfstand auf dem Mojave Airport ihr Leben. Drei weitere sind schwer verletzt, einer von ihnen ist auch jetzt, fünf Tage nach dem Unfall, noch in kritischem Zustand.

In der immer noch sehr kleinen Gemeinde der privaten Raumfahrt verbreiteten sich die Namen der Toten wie ein Lauffeuer. Es sind Eric Blackwell aus Randsburg, Todd Ivens aus Tehachapi und Charles May aus Mojave. Insbesondere letzterer ist aus den Szene-Blogs bekannt, an deren Diskussionen er sich rege beteiligte.

Der Unfall erwischte damit ausgerechnet das Team, das am professionellsten im neuen Business agiert: Die hochinnovate und professionelle Crew von Burt Rutan. Entsprechend betroffen, fassungslos und um Worte ringend zeigte sich der charismatische Luft- und Raumfahrtpionier denn auch im amerikanischen Fernsehen.

Das Unglück ereignete sich in einer abgelegenen Ecke im Nordosten des Mojave-Flughafens, in dem sich die Triebwerks-Versuchsanlagen von Scaled Composites befinden. Das Testpersonal führte zu diesem Zeitpunkt Messungen am N2O-Einspritzsystem für den Antrieb von SpaceShipTwo durch. Das Raumfahrzeug benutzt diese Chemikalie als Oxidator. Getestet wurde dabei das Drosselventil mit dem der in einem Drucktank mitgeführte gasförmige Oxidator verflüssigt und danach der Treibstoffkomponente des Hybridantriebs beigemengt wird. Es war der zweite Test dieser Art für das neue Raumschiff.

Dabei kam es zu einem noch unbekannten Vorfall, der die gesamten auf dem Gelände lagernden Vorräte an N2O (technischer Name: Distickstoffmonoxid, gebräuchlicher Name: Lachgas) zur Explosion brachte.

Lachgas ist ungiftig, nicht selbständig brennbar und auch bei hohen Temperaturen chemisch inert. Erst wenn eine Verbrennung bei sehr heißen Temperaturen bereits läuft wirkt zugefügtes Lachgas brandfördernd. Scaled Composites setzt es vor allem wegen seiner problemlosen Handhabbarkeit ein. Während der gesamten mehrjährigen Test- und Betriebszeit von SpaceShipOne kam es damit nie auch nur zu einem gering gefährlichen Vorfall. Umso unerklärlicher ist deshalb derzeit auch, welches Ereignis die Explosion der gesamten Lachgas-Vorräte bewirken konnte.

SpaceShipTwo, das revolutionäre Space-Tourismus Raumschiff, war nicht von dem Vorfall betroffen. Das Vehikel befindet sich derzeit in einem Integrationsgebäude auf der anderen Seite des Mojave-Airports in der Endmontage.

Die Tage der Unschuld in der bemannten privaten Raumfahrt sind vorbei. Sie hat den Boden der Realität erreicht und ist jetzt auf dem Weg durch die harten Prüfungen, die auch der institutionellen Raumfahrt nicht erspart geblieben sind.

Die Toten von Mojave sind die ersten der bemannten privaten Raumfahrt. Sie werden nicht die letzten sein.

Bemannte Raumfahrt ist mit Leidenschaft und Emotion verbunden. Das gilt ganz besonders für den privaten Bereich. Das schlimmste was man Eric Blackwell, Todd Ivens und Charles May antun könnte, wäre es jetzt aufzuhören. Ihr Andenken muss dahin getragen werden, wo es hingehört: Ins Weltall.

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