Die Vorstandsecke

Raumfahrt 2005: Große Siege, kleine Niederlagen

Drei schafften es nicht. Der Rest kam durch. In diesem Jahr wurden 55 Weltraummissionen gestartet. Exakt genauso viele wie im letzten Jahr. 52 davon waren für den Erdorbit bestimmt, für drei Raumfahrzeuge war das Ziel weiter entfernt: Deep Impact begab sich im Januar auf die Reise zum Kometen Tempel 1, der Mars Reconnaisance Orbiter der NASA verließ im August die Startrampe in Cap Canaveral in Richtung Mars und Venus Express der ESA startete im Oktober von Baikonur in Richtung Venus.

Die drei Fehlstarts dieses Jahres gingen allesamt auf das Konto russischer Trägerraketen. Zwei davon waren zeitlich nur wenige Stunden voneinander getrennt. Sie betrafen am 21. Juni den militärischen Nachrichtensatelliten Molnija 3K und den Experimentalsatelliten Solar Sail der Planetary Society. Der dritte Fehlstart ereignete sich am 8. Oktober, als die Rokot-Rakete versagte, mit dem die ESA den Forschungssatelliten Cryosat in den Orbit befördern wollte. Cryosat sollte die polaren Eisfelder unter die Lupe nehmen, und die Ironie des Schicksals wollte es, dass er nach dem Versagen der dritten Stufe seiner Trägerrakete ausgerechnet in der Nähe des Nordpols im Eismeer versank.

Stärkste Weltraummacht einmal mehr: Russland und die Ukraine. Auf ihr Konto gehen fast die Hälfte aller Weltraumstarts weltweit. Die Amerikaner dagegen sind auf einem "All Time Low". Ganze 16 Missionen, und da sind schon vier Starts mitgerechnet, für die sich die von Boeing geführte Firma Sea Launch ihre Zenith 3SL-Raketen aus der Ukraine besorgt.

Die europäische Raumfahrt durfte sich in diesem Jahr über Erfolge freuen, die den Verlust von Cryosat mehr als kompensierten: Im Januar gelang es der kleinen Robotsonde Huygens, gestartet im Jahre 1997 zusammen mit der amerikanischen Raumsonde Cassini, auf der Oberfläche des Saturnmondes Titan zu landen, und sensationelle Bilddaten und andere Ergebnisse zur Erde zu senden. Nur wenige Wochen später erlebte die Ariane 5 ECA, die Schwerlastvariante der europäischen Großträgerrakete, bei ihrem zweiten Start den ersten erfolgreichen Einsatz. Beim Jungfernflug im Dezember 2003, musste sie noch wenige Minuten nach dem Start wegen eines Triebwerksschadens gesprengt werden.

Im Oktober war eine weitere ECA erfolgreich, was das Vertrauen der Versicherungsgesellschaften in diesen neuen Träger erheblich stärkte. Und schließlich brachten die Russen an der Spitze jeweils einer Sojus Fregat zuerst im Oktober "Venus Express" erfolgreich auf den Weg zur heißen Nachbarin der Erde und dann kurz vor Jahresschluss mit GIOVE-A den ersten Experimentalsatelliten der Galileo Navigationssatelliten-Konstellation in einen Erdorbit.

Der bedeutendste Erfolg Japans in diesem Jahr war die Raumsonde Hayabusa - gestartet bereits vor zwei Jahren - die in einem dramatischen Einsatz eine Landung auf dem Asteroiden Itokawa versuchte, schließlich erfolgreich war, aber wohl bei ihrem Abenteuer so beschädigt wurde, dass ihre Rückkehr zur Erde mit den Materialproben fraglich ist. Erst 2007 kann sie den 300 Millionen Kilometer langen Rückweg zur Heimat antreten, und dann 2010 eine Landekapsel über Australien abwerfen.

Ein "Smashing Success" war am 4. Juli der gezielte Einschlag eines 400 Kilogramm schweren Kupferprojektils auf dem Kometen Tempel 1. Abgesetzt wurde dieser "Impactor" - Nomen est Omen - von der amerikanischen Raumsonde "Deep Impact". Der Einschlag war so tief, wie es der Name der Sonde versprach, und so gewaltig, dass er trotz der ungeheuren Entfernung auch von der Erde aus beobachtet werden konnte.

Die beiden Mars-Rover Spirit und Opportunity sind nunmehr seit einem vollen Marsjahr, das sind zwei Erdenjahre im Einsatz, und haben zusammen etwa 12 Kilometer Wegstrecke zurückgelegt, unzählige Messungen durchgeführt und mehr als 100.000 Bilder zur Erde gesendet. Ihre Erfolgsstory ist wahrhaft erstaunlich, denn man hatte zu Beginn ihrer Mission mit einer Lebensdauer von maximal 90 Tagen für jeden der beiden rollenden Roboter gerechnet.

Die Raumsonde Cassini, im Januar noch als Trägerfahrzeug für die europäische Titan-Landesonde Huygens im Einsatz, lieferte das ganze Jahr über Bilder von psychedelischer Schönheit von Saturn und seinen Monden. Das Raumfahrzeug ist acht Jahre nach dem Start von der Erde immer noch in hervorragender Verfassung und kann noch viele Jahre Forschungsdaten von Saturn und seine Monde liefern.

Insgesamt vier bemannte Raumflüge rundeten das Bild in diesem Jahr ab. Routiniert die Russen mit zwei Besatzungstransporten zur ISS im April und Oktober. Erleichtert die Amerikaner mit dem Einsatz der Raumfähre Discovery in der "Return to Flight Mission" im Juli. Unter dem Kommando einer Frau übrigens: Eileen Collins. Und stolz die Chinesen, die mit Shenzou 6 zwei Taikonauten (wie sie ihre Raumfahrer nennen) für fünf Tage im Orbit arbeiten ließen.

Ihr,
Eugen Reichl

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