Die Vorstandsecke
Investoren mögen keine Raumfahrt
Investoren mögen die private Raumfahrt nicht. Dabei ist das Thema eigentlich sexy. In den USA trägt die private Raumfahrt nur ein viertausendstel zum Bruttosozialprodukt bei. In den allgemeinen Medien nimmt sie aber über ein Prozent der Berichterstattung ein. Bei den Internet-Suchmaschinen ist das Thema "Space" sogar mit zehn Prozent aller Adressen vertreten. Wie kommt es dann, dass fünf Jahrzehnte nach Sputnik die Raumfahrt als Wirtschaftsfaktor immer noch bedeutungslos ist?
Fakt ist jedenfalls: Geldgeber wünschen Transparenz. Nur wenn der Markt klare Bedingungen vorfindet fließt das Geld der Investoren. Herrscht Konfusion, dann lassen sie es bleiben.
Sie beginnen immerhin zögernd, in den suborbitalen Weltraumtourismus zu investieren. Aber auch das erst, nachdem dafür eine klare Gesetzeslage geschaffen worden ist.
Ein einzelnes Projekt ist jedoch zu wenig für ein prosperierendes Wachstum. Neue Märkte müssen her. Und die gibt es auch schon, denn die NASA hat ein Monopol für eine Dienstleistung, die längst von Privatunternehmen erledigt werden könnte: Die Versorgung der Internationalen Raumstation mit Essen, Treibstoff, Kleidung und Wasser.
Dabei stehen die Privatunternehmer längst in den Startlöchern. Elon Musk, Chef des Falcon-Herstellers SpaceX verglich die Situation kürzlich mit dem Beginn des Internet-Business, als er sagte: "Der Netscape-Moment in der Raumfahrt steht unmittelbar bevor".
Die Zeit ist reif für einen Paradigmenwechsel. Die Technik ist inzwischen weit genug, dass nicht nur die staatlich gemästeten Aerospace-Giganten wie Boeing und Lockheed sondern auch kleine, effektive und bewegliche Teams kommerziell einsetzbare Raumfahrzeuge bauen können. Das Unternehmen Scaled Composites, das im Jahre 2004 mit SpaceShipOne des X-Price holte, ist beste Beispiel dafür.
Immerhin hat die amerikanische Raumfahrtbehörde die Zeichen der Zeit erkannt, und ein Programm mit der Bezeichnung COTS (Commercial Orbital Transportation Services) ins Leben gerufen. Die NASA will in Kürze zwei Unternehmen für einen so genannten "Fly-off" auswählen. Eine Art Wettfliegen also. Dem Sieger winkt der Versorgungsauftrag für die ISS, aber auch der zweite Kandidat hat gute Marktchancen.
Die COTS-Mittel sind allerdings so gering, dass sich die Firmen, die für den Flyoff ausgewählt werden, zusätzliches Geld bei den Banken besorgen müssen.
Das aber werden sie kaum bekommen, denn die NASA kam auf die abstruse Idee, für genau die Dienstleistungen, die sie im COTS-Programm ausgeschrieben hat, auch ein eigenes Fahrzeug zu entwickeln.
Das CEV, das bemannte Raumfahrzeug der nächsten Generation, soll nämlich nicht nur als Crew Transporter für Erdorbit, Mond und Mars dienen. Es soll auch eine unbemannte Frachtversion mit der Bezeichnung CEV Block 1B entstehen.
Und das bedeutet, dass kein Investor Geld in die privaten Raumfahrt-Startups stecken wird, und die Aerospace-Giganten sich auch in Zukunft, so wie heute üblich, den Kuchen unter sich aufteilen.
Doch noch ist nichts verloren. Widerstand regt sich, und einige Kongressabgeordnete wollen eine Petition einbringen, die es der NASA verbietet, Logistikflüge zur ISS durchzuführen sobald die COTS-Gewinner ihre Fahrzeuge in Dienst haben.
Zusammen mit dem Weltraum-Tourismus könnte COTS dann zum zweiten Standbein der privaten Raumfahrtindustrie werden. Und dazu beitragen, dass sich prosperierende und aus sich selbst wachsende private Raumfluglinien entwickeln.
Und wenn erstmal Klarheit auf dem Markt herrscht, dann werden auch die Investoren die private Raumfahrt lieben.
Ihr,
Eugen Reichl
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